12. November 2007
Die Temperatur von Luft und Wasser im Minusbereich und im Visier zwei gefährliche Kolosse der Arktis: Die Dreharbeiten zu "Königreich Arktis" waren ein Jahre dauerndes Abenteuer.
Das Filmemacher-Team (und Ehepaar) Adam Ravetch und Sarah Robertson ist fünfzehn Jahren lang im Auftrag der Organisation "National Geographic" immer wieder in den arktischen Norden Kanadas und andere Regionen rund um den Nordpol gereist. Sie folgten Walross, Eisbär und anderen schwer auf Zelluloid zu bannenden Geschöpfen über den Polarkreis, auf Eisschollen und sogar in die Tiefen des eisigen Ozeans. So haben sie über 800 Stunden Bildmaterial zusammen getragen.
Die "Stars" des Films Königreich Arktis kristallisierten sich dabei heraus: Ravetch und Robertson bemerkten etwas, was angeblich fast nie in der Wildnis geschieht — Eisbären und Walrösser treffen aufeinander. "Wissenschaftler erzählten uns, dass es sehr selten vorkommt, dass ein Eisbär ein Walross angreift", erzählt Ravetch, "aber wir sahen diese beiden Giganten der Arktis immer wieder aneinander geraten." Sie kamen den Tieren so nah, wie es menschenmöglich war und dokumentierten ihr Verhalten wie es noch nie zuvor auf Film zu sehen war.
Aber wie filmt man zwei der größten und kräftigsten Säugetiere der Erde ohne ihren Unmut zu erregen? "Sehr vorsichtig", sagen Ravetch und Robertson. So verbrachten sie einen großen Teil der fünfzehn Jahre damit, die Tiere und ihr Verhalten zu studieren und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich mit den Menschen und ihrer Kameraausrüstung vertraut zu machen. Erstaunlicherweise gelangen die Filmaufnahmen weitestgehend, ohne dass sie sich verstecken mussten. "Wir fanden heraus, dass das die Tiere eher nervös und unruhig macht", berichtet Ravetch. "So wie wir sie betrachteten, wollten auch sie ein Auge auf uns haben können."
Natürlich haben sie sich erst beraten lassen von Menschen, die dort zu Hause sind: den Inuit. Von den Inuit-Führern erhielten die Filmemacher wertvolle Ratschläge, die ihnen dabei halfen, die arktische Landschaft und den Rhythmus der Tiere sowie ihre Eigenheiten besser einschätzen und kennen lernen zu können. "Sie kennen diese Tiere wie kein anderer und dank ihrer Führung mehrten sich unsere Erfolgserlebnisse", erzählt Ravetch.
Die Filmemacher hatten mit ihrer Familie ein Basislager außerhalb der Inuit Dörfer weit im Norden Kanadas und reisten Hunderte von Meilen zu abgelegenen Regionen auf das Eis. Dort errichteten sie einfachste Lager und begannen mit ihren, wie es Ravetch nannte, "meet-and-greet sessions" (sich begegnen und grüßen) mit den Tieren, unter denen sie für lange Zeit leben würden. In manchen Fällen waren die Tiere gar nicht so erfreut darüber, ihnen zu begegnen, aber die Filmemacher waren darauf vorbereitet, Angriffe abfangen zu können. Aber das war nicht die einzige Gefahr: "Wir kampierten häufig auf sich bewegenden Eisschollen", berichtet Robertson, "und manchmal brach das Eis in der Nacht auseinander und wir wachten mitten im Wasser auf und all unser Zeug schwamm im Zelt herum!"
So plump Walrösser an Land wirken, so graziös gleiten sie durchs Wasser. Und obwohl sie sehr gemütlich scheinen, verteidigen sie die Mitglieder ihrer Herde bedingungslos! Einen Eindringling im Wasser greifen sie sofort an. Es gibt Geschichten, dass Walrösser den Kopf eines Menschen mit ihren scharfen Stosszähnen sekundenschnell abtrennen könnten. Deswegen bauten die Filmemacher zunächst einen speziellen Tauchkäfig, ähnlich wie einen Haikäfig, um sich zu schützen. Was zur Folge hatte, dass die gigantischen Meeresgeschöpfe, jedes ungefähr so groß wie ein Kleinwagen, den Käfig angriffen.
Sobald er sich unter den Walrössern wohler fühlte, und sie sich mit ihm, ließ er den Käfig ganz weg und gewann so außergewöhnliche Einblicke in ihre Lebenswelt. "Sie sind sehr gesellige Tiere und sie kommen ganz dicht an dich heran und stupsen dich am Kopf." In einer spektakulären Szene gelang es Ravetch, auf Zentimeternähe an eine Walrossmutter und ihr trinkendes Baby heran zu kommen. "Es dauerte Jahre, das Vertrauen aufzubauen, um diesen einen unglaublichen Moment in den Kasten zu bekommen", erzählt er.
Um unter das Eis zu tauchen, glitt Ravetch durch ein kreisförmiges Luftloch der Robben und tauchte in das -1,6° kalte Wasser. Dann hatte er nur 40 Minuten Zeit zum Filmen, weil er ansonsten auskühlen würde. "Sobald er unter dem Eisdach war, musste er nicht nur Tiere finden und ihnen folgen, sondern auch nah genug am Ausgangsloch bleiben, denn es gibt keinen anderen Weg wieder heraus", erzählt Robertson, "während Adam unter Wasser ist, bin ich an der Oberfläche mit Kameras, um die Bewegungen gleichzeitig von oben zu filmen."
Auch Eisbären sind ausdauernde Schwimmer — sie schwimmen über 70 km oder mehr auf einer Strecke. "Wir fanden heraus, dass die Bären, die wir filmten, sehr unterschiedliche Persönlichkeiten hatten", berichtet Ravetch. "Einige sind eher schläfrig und ruhig, während andere aggressiver sind und einige sogar versuchten, in unser Boot zu klettern!". An Land gehen Eisbären normalerweise eher langsam und bedächtig, sie können aber bis zu 40 km/h schnell laufen! Ihre Fußsohlen sind dicht behaart, was das Ausrutschen auf dem Eis verhindert.
Eines Nachts hatten die beiden Filmemacher ein sehr gefährliches Erlebnis mit einer Eisbärenfamilie: "Ich wachte davon auf, dass etwas gegen mein Ohr stupste", erzählt Ravetch, "ich begriff, dass es eine Eisbärenmutter war, die mich von der anderen Seite des Zeltes aus riechen konnte. Mein Herz raste. Sarah und ich setzten uns schnell auf, es war total dunkel und die Kälte ließ uns sofort schlottern." Bei diesen Temperaturen erfriert bloße Haut in nur 5 Minuten!
"Wir konnten die jungen Bären in unserer Ausrüstung stöbern hören. Dann verfing sich ein Junges in den Seilen unseres Zeltes und es begann heftig zu schaukeln. Wir sprangen auf die Füße und hielten das Zelt fest. Die Eisbärenmutter brüllte nach ihren Jungen und alles woran wir noch denken konnten, war, dass bald eine wildgewordenen Bärenmutter durch unser Zelt krachen würde und wir hatten noch nicht einmal unsere Schuhe an!"
Aber dann war es plötzlich still. Das Junge hatte sich doch noch selbst aus den Seilen befreit und sie waren alle weggelaufen. "Für den Rest der Nacht saßen wir völlig aufgelöst bei Laternenschein und schlürften Tee. Am nächsten Tag holten wir die Eisbärenfamilie ein, indem wir ihren Fußstapfen folgten. Sie waren nicht sehr weit gelaufen und ruhten sich nach der schlaflosen Nacht aus. Das war der Moment, in dem wir die süßen Bilder von den Jungen machen konnten, wie sie auf dem Rücken ihrer Mutter spielen. Nach einer Stunde stand Mama Eisbär auf und da das Junge zu müde zum Laufen war, umklammerte es fest seine Mutter und ritt auf ihrem Rücken davon."
Mehr zum Film Königreich Arktis kannst hier lesen: Im Kino: Königreich Arktis
von Katharina Sobottka, Bilder: © Universum Film
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